Hand aufs Herz: wer hat schon einmal etwas von Kalmückien gehört oder weiß sogar, wo es liegt?
Wir kannten diese kleine autonome Republik nur von einem Bericht im Fernsehen vor einigen Jahren und wollten unbedingt das einzige Land Europas, wo der Buddhismus vorherrschende Religion ist, erleben.
Das Internet beschreibt es so (verkürzt): gesamt 290.000 Ew., davon ca. 160.000 Kalmücken; ein aus der Mongolei stammendes Volk, das vor mehreren Jahrhunderten an die Wolga abwanderte. Die deutsche Wehrmacht besetzte das Land 1942 und rekrutierte 3000 bis 5000 kalmückische Partisanen und Freiwillige, die sich mit Hilfe der Deutschen eine Befreiung von der Herrschaft Stalins erhofften, der ihre buddhistische Religion und nomadische Lebensweise unterdrückte.Er ließ die Mönche in Konzentrationslagern verschwinden oder hinrichten und zerstörte ihre Tempel (über 100). Als Vergeltung für die Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht wurde die kalmückische Bevölkerung nach Sibirien verschleppt, der Status der autonomen Republik aufgehoben und die Kalmücken aus der Liste der in der Sowjetunion lebenden Minderheiten gestrichen! Erst unter Chruschtschow durften die Deportierten zurück in ihr Land.
Kalmückien (etwas kleiner als Österreich) liegt an der nordwestlichen Küste des Kaspischen Meeres und besteht hauptsächlich aus Steppe. Infolge falsch geplant und durchgeführter Bewässerungsprojekte ist K. stark von Wüstenbildung betroffen. Mittlerweile wird in Bezug auf die Republik von der ersten Wüste Europas gesprochen. Das Klima ist hartkontinental = sehr heiße Sommer und frostige, schneearme Winter. Dieses Klima breitet sich von Ost nach West aus…
Wir besuchten also die Hauptstadt Elista, die uns merkwürdig fremd und gleichzeitig aus unseren Besuchen anderer asiatischer Länder, vertraut vorkam. Die Tempel und Pagoden allesamt neueren Datums sind sehr farbig um nicht zu sagen äußerst bunt gestaltet und bemalt, in der Stadt große Flächen grünen Wildwuchses, kaum oder gar keine Bemühungen Gehwege oder Straßen in Ordnung zu bringen. Die Menschen freundlich und an uns interessiert, dabei aber nicht aufdringlich (wie schon öfter erlebt). Wir durften selbstverständlich die Tempel besuchen, in einem sogar fotografieren.
Hier gab unser neu erworbenes Internet seinen Geist auf und wir mussten uns einen Telefonladen mit “unserem” Anbieter suchen. Nach einem kleinen Fußmarsch durch die Stadt war ein Beeline-Laden gefunden und mit Zeichensprache unser Problem erklärt. Nach Zahlung von 500 Ru (= 8€) funktionierte alles wieder und uns wurde versichert, dass dieser Betrag nun ausreichen werde bis Ende August. Wir werden sehen….
Unser Weg führte uns durch die Steppe nach Norden durch die Städte Saratow und Samarkand. Die Fahrten waren langweilig, eintönig, die Steppe ist nur während der ersten Tage interessant und über den freien Blick bis zum Horizont und den weitgespannten Himmel darüber freut man sich auch nur in der ersten Zeit. Abgelenkt hat uns das Hörbuch: Nudel im Wind von und mit Jürgen von der Lippe (5 CDs). Einzige Ausnahme: überraschend tauchte plötzlich eine gelblich-braune Wolke am Horizont auf und innerhalb von Minuten verschluckte uns ein Sandsturm (naja fast). Just in einem Gebiet, wo die Straße erneuert wurde und die Fahrbahn auf eine Bahn eingeschränkt war. Die Begrenzungen flogen wie aus Pappe durch die Gegend und es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass uns kein Flugobjekt traf.
In Saratow überquerten wir die Wolga auf der 3 km langen Brücke und fuhren nach Engels (heißt wirklich so! Ein Stückchen weiter gibt es auch den Ort namens Marx). Wieder war es sehr stürmisch und das Wasser des Flusses trieb ordentliche Wellen vor sich her. Wir hatten von einem Denkmal zu Ehren des sowjetischen Astronauten Jury Gagarin gelesen, fanden es und staunten über die kleine (echte!) Kapsel, in der der Weltraumfahrer so lange aushalten musste, bis ein Fallschirm ihn herauskatapultierte und sicher auf die Erde zurückbrachte.
Erwähnenswert sind die kilometerlangen Sonnenblumenfelder! Die meisten Pflanzen stehen in voller Blüte und wenn der Himmel einmal blau ist, ergibt das ein wunderschönes Bild! Was müssen die Menschen hier an Öl verbrauchen (oder Kerne futtern)!!!
Ansonsten: Landschaft, Landschaft und nochmals Landschaft. Samarkand haben wir links liegen gelassen, es goss aus Eimern und wir machten uns lieber langsam auf den Weg nach Kazan. Dort stehen wir jetzt auf einem Autoschrottplatz, besser: Schrottwagen werden hier gesammelt und wenn es sich lohnt abtransportiert. Und es lohnt sich schnell: allein auf der Strecke in den letzten beiden Tagen haben wir 4 schreckliche Unfälle sehen müssen, was nicht sehr verwundert: es gibt Raser, die völlig hirnlos rechts oder links überholen; LKWs, die an uns vorbeidonnern während wir vorsichtig die vielen Schlaglöcher und Asphaltrisse versuchen zu umfahren. Melonenlaster: aus einer Kurve getragen und umgekippt; großer LKW mit Anhänger: auf der Seite liegend viele Meter weitergerutscht; ein PKW hat sich unter einen Kleintransporter geschoben und diesen auf die Hörner genommen… naja und so weiter. Ist schon anstrengend, das Fahren!
Heute nun ist Laptop-Arbeit angesagt: Reiner erledigt seine Post und ich verarbeite die Fotos und schreibe meinen Bericht. Der Besitzer dieses Platzes hat uns Strom gegeben, so dass wir in Ruhe und ohne auf die Akkuanzeige achten zu müssen, uns auslassen können! Und morgen kommt die Familie! Wir freuen uns sehr und sind gespannt was uns in Kazan erwartet.
Ach ja: es ist nicht mehr heiß! Nur noch um die 20°C, nachts kühler! Wir haben unsere warmen Zudecken wieder aus der Garage geholt!!!
Und nun noch ein paar Fotos:
Das ist ja wieder ein interessanter Bericht mit tollen Fotos!
Vielen Dank und liebe Grüße!
Heidi
Schöner langer Artikel. Enjoy!
Schließe mich Paddel an, habe endlich die Zeit, den Blog zu lesen und zu genießen! Schön war’s mit euch! Danke für Alles und bis bald! ☕