Der letzte große Abschnitt liegt hinter uns! Heute haben wir uns sowohl von Valery, unserem Reisebegleiter im gesamten russisch sprachigen Raum (Kasachstan, Kirgistan, Russland und Weißrussland) als auch von Jürgen, Lotti und Kurt verabschiedet. Ein wenig Wehmut bestimmt im Augenblick unser Gefühlsleben, denn jetzt ist es klar und unumstößlich: unsere große Reise nähert sich rasch ihrem Ende. Während Jürgen sich allein und “ganz in Ruhe” auf den Weg nach Hause macht, müssen Kurt und Lotti sich beeilen: sie haben einen Termin im Krankenhaus in der Schweiz, wohin Lotti sich schnellst möglich begeben wird, um ihr gebrochenes Bein fachgerecht behandeln zu lassen. Und wir? Wir haben uns wieder auf den Weg nach Norden gemacht, dort gibt es eine idyllische Seenplatte mit Möglichkeiten zum Übernachten. Ein paar Tage sind uns in Belarus noch gegönnt, dann werden wir den Grenzübergang nach Litauen nehmen und uns am 2.9. mit Reisebekanntschaften (Sabrina und Alex) aus Österreich in Klaipeda treffen. Wir 4 hatten ursprünglich vor, die Route durch Sibirien vor 2,5 Jahren gemeinsam zu bereisen, was dann aber aus verschiedenen Gründen nicht geklappt hat.
Soviel zu unseren Plänen in der Zukunft.
Im Eiltempo durchfuhren wir Russland und hatten wenig Zeit die historisch hoch interessanten Städte mit all ihren Prachtbauten und – plätzen zu bewundern. Wenn auch alles bestens organisiert worden war, in jeder Stadt stand uns ein kleiner Bus mit deutsch sprachiger Reiseleitung zur Verfügung und Dank Valerys ausgezeichneten Kenntnissen waren die jeweiligen Übernachtungsplätze bestens gewählt (meistens mit einer Rundum-Versorgung = Strom, Wasser und Abwasser), alle Reiseteilnehmer sind oder waren der gleichen Meinung wie wir: soviel Wissenswertes, Schönes, Neues kann unmöglich in der Kürze der Zeit erfasst und verarbeitet werden! Schade, aber vielleicht ein Grund, einen Teil der Reise noch einmal zu wiederholen…..
Auf dem Weg nach Ufa passierten wir den südlichen Teil des Urals und völlig unbemerkt überquerten wir die Kontinentgrenze zwischen Asien und Europa. Ufa (Hauptstadt der Baschkiren) ist heute eine moderne Millionenstadt mit der größten Ölraffinerie Europas, und wegen ihrer Entfernung zu Deutschland wurde während des 2. Weltkrieges die Schwer- und Chemieindustrie hierhin verlagert, damit die dt. Flugzeuge sie nicht zerstören konnten. Später errichtete man hier das dt. Gefangenenlager 319. Wir besichtigten eine kleine völkerkundliche Ausstellung, dabei hatten wir Gelegenheit, einen Flötenspieler zu beobachten wie er die einfachen Musikinstrumente aus den Stielen des getrockneten Riesenbärenklaus schnitzte, je länger der Stiel, desto tiefer der Ton.
Kazan, die nächste große Stadt. Ebenfalls über eine Million Einwohner groß, feierte die Hauptstadt Tatarstans im Jahre 2005 ihren 1000-jährigen Geburtstag. Zu diesem Anlass wurden viele Gebäude restauriert oder gar wieder errichtet, die in früheren Jahren etwa durch Iwan dem Schrecklichen zerstört worden waren. Das Besondere an Tatarstan: nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde es zu einer autonomen Republik mit einem eigenen Präsidenten, konnte sich aber wegen der Lage (mitten in Russland) nicht völlig abspalten, wie z.B. die baltischen oder die anderen …stan-Staaten. Gilt heute als eine der reichsten Republiken der russischen Föderation: Öl, Gas, Bergbau, Flugzeugbau, Chemieindustrie und Landwirtschaft sind die Haupteinnahmequellen. Bekannte Persönlichkeiten wie Tolstoi und Lenin haben hier studiert. Für uns wenig rühmlich: ein bekannter tatarischer Dichter, Musa Jalil, wurde in Moabit (Berlin) ins KZ gebracht und getötet. Der Kazaner Kreml gilt als einer der schönsten und wurde in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. In der Neuzeit hat sich eine Baufirma auf antikes Bauen spezialisiert und für unsere ungeübten Augen war es nicht möglich zu erkennen, welche Bauten tatsächlich alt und welche aus jüngsten Tagen stammen. Moslems, orthodoxe Christen und religiöse Minderheiten existieren einvernehmlich nebeneinander her. Wir fühlten uns wohl in dieser Stadt – trotz Nieselwetter – und bedauerten sehr, sobald wieder weiterziehen zu müssen.
Susdal ist ein kleines Museumsstädtchen auf dem sog. Goldenen Ring im Norden Moskaus. Tatsächlich begrüßen einen schon von Weitem unzählige goldene Türmchen und Dächer, die allermeisten Kirchen und Klöster sind aber “nur” noch Museen. Schön anzuhören war das Läuten von 19 Glocken, es ergab beinahe eine Melodie und war sehr rhythmisch. Insgesamt nett anzusehen, aber irgendwie ohne echtes Leben. Selbst die obligatorische Reiseführerin machte einen eher müden Eindruck.
2 ganze Tage für Moskau. Wir jagten von einem Termin zum nächsten um so viel wie möglich zu sehen. Die Metro mit ihren besonderen Stationen, natürlich der Rote Platz mit all seinen Kirchen und Bauten herum, z.B. der Basilius-Kathedrale, dem Kreml, dem Lenin-Mausoleum, dem Grabmal des unbekannten Soldaten mit stündlichem (?) Wachwechsel. Erlöser-Kathedrale, Bootstour auf der Moskwa, kleiner Imbiss im berühmten Kaufhaus GUM und eine Gesang- und Tanzshow am Abend sind im Wesentlichen die Dinge, die wir in der kurzen Zeit gesehen bzw. genossen haben.
Unterwegs Zwischenstopp an einem polnischen Militärfriedhof. In Katyn wurden 4400 polnische Soldaten vom russischen Geheimdienst ermordet. Bis 1990 aber wurde diese Tat dem deutschen Faschismus angelastet. Erst Gorbatschow und Jelzin haben sich zu den Morden bekannt und den Originalbefehl Stalins an die Polen ausgehändigt. Im April 2010 stürzte das Flugzeug mit Lech Kaczynski hier in der Nähe ab, der zu einer Gedenkfeier auf dem Militärfriedhof eingeflogen war.
Besonders hervorheben möchte ich den russischen Soldaten, der am 30. April 1945 auf dem Berliner Reichstaggebäude die rote Flagge hisste: eine kleine Gedenkstätte in Smolensk erinnert an diese kühne Tat.
Eine Kontrolle an der weißrussischen Grenze gab es nicht, lediglich ein Polizeifahrzeug überprüfte die Nummernschilder und befand nach sehr kurzer Wartezeit: “alles in Ordnung!” Besonders Weißrussland hat unter der Wüterei der SS im 2. Weltkrieg extrem gelitten. Wir besuchten die große Gedenkstätte Khatin (nicht zu verwechseln mit der og. polnischen Gedenkstätte!). Sie steht für 5295 (wie unfassbar das ist) zerstörte, verbrannte Dörfer, deren Bewohner vergewaltigt, in die Kirchen gesperrt und darin verbrannt oder sonst wie getötet wurden. Selbst beim Schreiben darüber stockt mir der Atem und mir fehlen die Worte für diese Taten. Unbeschreiblich, unsagbar.
Minsk wurde von den deutschen Truppen und Bombern bis auf ganz vereinzelte Häuser völlig zerstört. Man hat kurz nach Ende des Krieges überlegt, die Stadt zu verlegen und an einem anderen Ort wieder neu aufzubauen. Aber die Einwohner haben sich dagegen entschieden und so entstand die neue Hauptstadt Belarus’. In den letzten Jahren wird verstärkt nach alten Plänen und Vorlagen gebaut, so dass der Stadtkern beinahe wirkt als seien die Häuser aus früheren Jahrhunderten und hätten die Massaker im Krieg schadlos überstanden. Für uns ist es beinahe ein Wunder, dass wir heute als deutsche Touristen freundlich empfangen werden. Wir verstehen auch nicht die immer noch negative Presse über Russland und Weißrussland, wir erlebten nirgends korrupte Polizisten oder Zollbeamte, trafen auf keine betrunkenen oder randalierenden Männer. Aus unserer Erfahrung sind beide Staaten sichere und überaus gastfreundschaftliche Reiseländer, deren Besuch wir nur empfehlen können.
So, und nun sind wir auf dem Weg nach Litauen. Zu Beginn sprach ich vom Abschiednehmen. Das gilt auch für das Blogschreiben! Dieses ist der letzte Beitrag gewesen und wir möchten uns bei allen Lesern herzlich bedanken für die treue Begleitung auf unserer Traumreise! Wir werden in ca. 2 Wochen die heimatlichen Gefilde erreicht haben (lassen uns etwas Zeit an der Ostsee; vielleicht findet der eine oder andere Bernstein den Weg in meine Sammlung…), darauf freuen wir uns! Ein neuer Abschnitt beginnt – mal schauen, was das Leben für uns bereithält! In diesem Sinne: alles Gute und bleibt munter!
Kleiner Bonbon: etwas mehr Fotos als üblich…
Hallo nach nirgendwo,
mit einem Auge freuen wir uns das Ihr wieder Richtung Heimat fahrt und für das andere Auge fehlt das warten und lesen Deiner Berichte und die tollen Fotos.
Es ist fast nicht zu glauben das schon fast 2,5 Jahre vergangen sind, als Ihr hier mit lautem Getöse abgefahren seit. Wir wünschen euch für die letzte Etappe wie immer viel Glück und immer Luft in den Reifen und einen vollen Tank.
Wir warten auf Euch.
Brigitte und ich
Hört sich gut an! Bis bald!
Ihr Lieben! Kaum zu glauben, dass es mit diesem schönen, interessanten, persönlichen und informativen Blog nicht weitergehen soll… Das Lesen Eures Blogs war fester Bestandteil meines Alltags geworden und hat mir schöne Fernwehmomente beschert. Danke, dass Ihr uns habt mitreisen lassen, es war toll dabei zu sein. AUF WIEDERSEHEN! Wir freuen uns drauf! Weiterhin gute Fahrt, kommt gesund und heil nach Hause, liebste Grüße von Doro und Hanni
Kuss