Sibirien, das ist das letzte Stück ganz hinten in Russland…
Sibirien, das ist das Land in dem Filme wie “Soweit die Füße tragen”, “Kurier des Zaren” oder “Doktor Schiwago” gedreht wurden…
Sibirien, das ist das Land der Verbannungen (Gulags) und Kriegsgefangenenlager…
Sibirien, das ist das Land der Begegnungen…
Sibirien, das ist das Land der Superlative
Sibirien, wenigstens einen Teil davon, erfahren wir jetzt…
Wir sind inzwischen seit einer Woche wieder in Russland und hatten nach dem Grenzübertritt, der ohne Komplikationen ablief (war ein ziemlich kleiner Grenzposten, wenig Verkehr und wir hatten schon die Befürchtung, dass ein neugieriger Grenzer oder Polizist unser “Auto” genauestens untersuchen würde), Zeit und Muße in aller Ruhe nach Omsk zu fahren.
Omsk ist mit über 1 Mill. Einwohner die zweit größte Stadt Sibiriens, wurde 1716 von einem Gardeoffizier Peter dem Großen, Ivan Buchgol`c (Buchholz?), gegründet und bis heute streiten sich die Gelehrten darüber, ob dieser Zarenoffizier russischer oder deutscher Abstammung ist!
Heute ist die Stadt ein bedeutendes Industriezentrum (Erdöl, Reifenproduktion, Raumfahrtindustrie uvm.), lädt aber auch zum Spazierengehen durch die vielen Parks oder an den Flüssen Om und Irtys ein.
Wir waren mal wieder sehr selbstbewusst und wollten vor einem Hotel mitten im Stadtzentrum parken und übernachten, was aber von dem Hotelmanagement abgelehnt wurde.
Also suchten wir uns ein etwas abgelegenes Hotel namens “Omsk”, fragten dort nach, bekamen Antworten, die niemand verstehen konnte und blieben einfach! Direkt am Irtys! Mit einem Superblick gratis!
Wie es immer so ist: Wilkes mussten einkaufen. Wir hatten auf der Herfahrt am Stadtrand ein riesiges Einkaufsgelände gesehen: IKEA, Media-Markt, ein Supermarkt mit 58 Kassen! usw. (alles riesig, neu und vom Feinsten!) und dachten, dort bekommen wir bestimmt einen Internet-Stick für unseren PC. Bummelten noch ein wenig herum, fanden einen WiFi-Platz (aber keinen Stick), beantworteten all unsere Emails und schlenderten zurück zum Wagen als ein Mann uns ansprach, so, als würde er uns kennen, zeigte auf unser Fahrzeug dann auf sich, dann wieder auf uns usw. bis er schließlich einen Mitgliedsausweis des Russ. Caravan-Clubs zeigte, den wir schon von unserer Reisebekanntschaft aus Sewastopol (Krim), Helena und Alexander, kannten, seit Wochen versuchten, dort ebenfalls Mitglied zu werden, und uns zu verstehen gab, dass er sich nun riesig freue, uns endlich gefunden zu haben…???
Zum besseren Verständnis: dieser Club hat eine rege Kommunikation unter all ihren Mitgliedern. Und so haben seinerzeit Helena und Alexander einen Artikel und ein Foto über uns in ihr Forum gestellt und außerdem mit uns seit der Ukraine regen Email-Kontakt. Wenn wir Fragen zu Straßenzuständen haben oder Sonstiges wissen möchten, schreiben wir auf deutsch an H&A eine Mail, die wird dort vom Übersetzungsprogramm ins Russische übersetzt und bekommen auf russisch die Antwort (die wir dann wieder im Übersetzungsprogramm…) Das klappt so prima, dass eben dieses Mitglied Igor aus Omsk von uns und unserem Aufenthalt in Omsk erfuhr und nun strahlend vor uns stand. Seine Frau Irina sprach ein wenig englisch und so haben wir uns gleich für den Abend verabredet, in unserem Wagen ein Bierchen zu trinken. Das Zusammensitzen mit den beiden war super nett und irgendwie brachten wir 4 es fertig uns mit Händen und Füßen, paar Bröckchen englisch oder russisch prima zu unterhalten. Leider konnten wir “nur” russisches Bier anbieten, Igor schwärmt für Deutsches!
Für den nächsten Morgen wurde verabredet, dass Igor Reiner bei der Suche nach einem neuen Generator ( der andere Neue ist völlig von der Ruckelei hin) und einem Internetstick helfen würde. Außerdem war das Auffüllen der Gasflaschen erforderlich und ganz simpel an der Tankstelle. Wir hatten im Vorfeld darüber gelesen und die Befürchtungen, dass wir mit Adaptern arbeiten oder neue russische Flaschen kaufen müssten. Aber nichts dergleichen: man nahm den Schlauch zum Befüllen der Gastanks in Autos, klemmte den mit einer Kombizange und einer Schraubzwinge an unserem Flaschenventil an und betankte die Flasche exakt mit 11 Kilo! So gehts auch!!!
Da ich mit einem Erreger zu kämpfen hatte, der nicht in meinen Körper gehörte, blieb ich zu Hause – die ersten paar Stunden völlig entspannt und froh über die Ruhe. Als aber 6 Stunden vergangen waren und auf meine SMS keine Antwort kam, mein Anruf auf Reiners Handy nach dem 4. Klingeln in ein “besetzt” umgewandelt wurde, fing ich an, mir Fantasien auszumalen, die “Tatort” verdächtig waren. Aber ich würde heute ja nicht so ruhig hier schreiben können, wäre etwas passiert (Entführung z.B. mit hoher Lösegeldzahlung usw. Im Ausmalen solcher Horrorvisionen bin ich sehr gut!)
Mir ging es besser, wir hatten Zeit, also bummelten wir durch die Stadt und sahen uns das “Dostoevskij-Museum” an, interessant und bedrückend zu gleich, weil das Museum an dem Ort, ein ehemaliges Fort, steht, wo D. seinerzeit als Häftling 4 Jahre in Ketten verbracht hat. Beschrieben im “Aufzeichnungen aus dem Totenhaus”.
Igor brachte uns noch zusammen mit einem Freund aus der Stadt und in die richtige Richtung – nach Novosibirsk!
Die Fahrt war – ehrlich gesagt – langweilig. Wir freuen uns zwar über das viele Grün und die angenehmen Temperaturen von tagsüber 18-20 und nachts 12-14!!!, aber es gab keine Abwechslung für unsere verwöhnten Augen. Felder, Äcker, Birkenwäldchen, Sumpf, Felder, Birkenwäldchen, Äcker… Dabei ist entstanden: Acker, ackern, Ackermann…
Alle 100 km (gefühlt) war ein Dörfchen zu sehen, wenig schön, wenig gepflegt, wenig lebendig – bis auf die Kirchen in der Mitte! Die Gotteshäuser sind alle meist golden herausgeputzt und zeigen sich von ihrer prächtigsten Seite.
Dann wieder Sumpf, Birkenwäldchen, Mücken…
Wir fanden verschieden gute Stellplätze für LKWs, möglichst immer bewacht. Dass es keine übertriebene Spinnerei ist, nachts auf eingezäunten Plätzen zu übernachten, sieht man daran, dass auch die einheimischen LKW-Fahrer immer diese Stellplätze bevorzugen! Obwohl sie ein paar Rubel kosten! Auf dem größten Platz konnten 140 LKWs stehen! Und der Platz war voll!
Zwischendurch kamen wir immer wieder an den Gleisen vorbei, die auch die Transsibirische Eisenbahn benutzt. Leider haben wir noch keine TransSib entdecken können, dafür aber Züge mit 3 Lokomotiven und 71 Wagons dahinter! Beide haben wir aber einhellig festgestellt, dass eine Reise mit der Bahn durch diese Gegend nichts für uns wäre!
Unterwegs wurden wir von 3 Motorradfahrern überholt, die augenscheinlich aus Deutschland kamen: 1 HD- und 2 HOM-Kennzeichen. Am nächsten Rastplatz hielten wir und klönten eine Weile und tauschten Erfahrungen aus. Die 3 sind seit dem 9.Juni .d.J. unterwegs und wollen in 80 Tagen die Welt umfahren. D.h. Russland, Japan und Amerika. Ende August wollen sie wieder in D. sein. Auf meine Frage, ob sie denn auch einmal Zeit hätten, sich Städte anzusehen, verneinten sie:” der Weg ist unser Ziel”. Robert stellte fest, ihm sei klar gewesen, als er eine Frau im Auto sitzen sah, warum wir einen Anhänger dabei hätten: die Schuhe! Pah, wenn der wüsste…
Novosibirsk ist erst 120 Jahre alt und im Stadtbild sehr sowjetisch geprägt! Es leben hier ca. 1,4 Mill Menschen und ist somit die 4. größte Stadt Russlands!
Als Sehenswürdigkeit wurde in unserem Reiseführer (nun nicht mehr der heiß geliebte aus Kasachstan) der Bahnhof erwähnt. Er sei der größte an der gesamten Strecke der TransSib und hätte die Form einer Lokomotive. Wir stellten fest, dass der Bahnhof in der Abb. sehr viel mächtiger aussah als er in Natura wirkte. Trotzdem ein imposantes Gebäude!
Wir spazierten um den Leninplatz mit seiner monumentalen Leninfigur, die auf der einen Seite von 3 kämpferischen Revolutionären flankiert wird und auf der anderen von einer Kolchosbäuerin und einem Arbeiter. Das komplette Denkmal sollte ursprünglich auf den Ostberliner Leninplatz, war dann aber wohl zu riesig und wurde nach Sibirien verbannt…
Es ist schon ein erhabenes Gefühl am “Fluss durch Sibirien mit 2 Buchstaben” zu stehen! Insgesamt haben wir jetzt schon die Wolga, den Don, den Irtys und heute den Enisej (!) überquert!
Wir sind heute in Krasnojarsk angekommen, nachdem wir wieder 2 ziemlich eintönige Fahrtage hinter uns haben. D.h. mit einer netten Unterbrechung: unterwegs überholten wir 2 Biker, denen anzusehen war, dass sie als sportliche Urlauber das Land bereisten. Auf unserem Spätfrühstücksrastplatz sprach einer der beiden uns auf deutsch an und erklärte, sie seien aus Hannover!!! Mit dem Rad!!! Seit dem 3. April (glaube ich) sind die beiden, Claus und Peter, unterwegs, wollen auch zum Baikalsee, dann in die Mongolei und durch China und von Peking mit dem Flieger zurück. Was für eine Tour. Zusammen haben wir eine Tasse Kaffee getrunken und unsere Emailkontaktdaten ausgetauscht und dann fuhr wieder jeder seines Weges…
Was wir in Krasnojarsk und den folgenden Tagen erleben werden, wird dann im nächsten Blog-Eintrag zu lesen sein. Bis dahin – bleibt uns gewogen!
Und hier wieder ein paar Bilder zum Miterleben: