Unfassbar, was man in 6 Wochen alles erleben kann.
In diversen Städten (die Namen, die Namen…) besuchten wir Klöster, Märkte oder Museen. Das war so ziemlich alles, was wir zu sehen bekamen. Die Fahrtroute war genauestens vorgegeben und somit auch das Pflichtprogramm. Irgendwann mochten wir keine Buddhafiguren mehr sehen. Interessant aber war der Raupenpilz! Eines der vielen Wundermittel der Chinesen zur inneren und äußeren Stärkung! Dieser Pilz ist endemisch und wächst nur in höchsten Gebirgsregionen, ist ca. 5-8 cm lang und bringt, bei guter Qualität, ca. 100$ pro Stück! Ganze Regionen leben von dem Sammeln dieses Pilzes, da er inzwischen weit über Tibets Grenzen hinaus begehrt wird (Japan, Korea).
Wir überwanden wieder Pässe in 3700 m Höhe (herrliche 3°, Schnee- und Hagelschauer), was unserem Auto nicht gut bekam: wieder das Gleiche Problem! Öllampe blinkt, Kontrollleuchte für Einspritzanlage blinkt, Leistungsabfall, naja, wie gehabt). Keine Möglichkeit eine Werkstatt zu finden. Also weitergefahren und gehofft, dass nichts Schlimmeres passiert. Herrliche Panoramen: re. und li. schneebedeckte Berge, lt. Straßenkarte von 6000 bzw. 7000 Gipfeln! Mehrere Tage durch wüstenähnliche Gegenden gefahren, schon mit Sanddünen hier und da. Wir haben nicht herausgefunden, ob der Sand von der Gobi oder der Taklamakan Wüste stammt. Beide sind nicht weit entfernt. An einem Fleckchen “Grün” wurde übernachtet ohne jedoch das Fahrzeug verlassen zu können: die Luft wimmelte von Stechmücken und Pferdebremsen, wie einige Gruppenmitglieder schmerzhaft erfahren mussten.
Leider mussten wir einen sehr schweren LKW-Unfall erleben: 2 Trucks verkeilten sich ineinander und die Fahrer des einen LKW waren auf der Stelle tot. Sie hatten auf 3 Etagen Schafe geladen, die nun z.T. tot durch die Gitterstäbe baumelten, überfahren auf der Straße lagen oder – überlebt – orientierungslos herumirrten. Ganz schrecklicher Anblick. Weil die beiden Fahrzeuge die Straße komplett blockierten mussten wir 11 (!!!) Stunden warten, bis wir – morgens um 4 Uhr – einspurig an der Unfallstelle vorbeifahren konnten. In dieser langen Zeit war lediglich ein LKW abtransportiert worden, um den verunfallten Tiertransporter samt Ladung hatte man sich noch nicht gekümmert! Da unsere Gruppe nie Konvoi gefahren ist, hatten einige von uns das Glück, vor dem Unfall die Stelle passiert zu haben, einer jedoch war zu tiefst betroffen: er hatte wenige Minuten vorher mit den beiden verunglückten Fahrern Rast gemacht und sich mit ihnen ausgetauscht. So schnell kann es gehen!
Das absolute Highlight für uns war die Durchquerung der Taklamakan Wüste. Sie ist die zweitgrößte Sandwüste der Erde (nach der Sahara) mit über 100m hohen Wanderdünen. Sie wird auch “Wüste des Todes” oder “Wüste ohne Wiederkehr” genannt, was nicht schwerfällt zu glauben: wir haben Sandstürme erlebt, die uns beinahe die gesamte Sicht nahmen. Genau passend zu dieser Gegend fiel unsere Klimaanlage (Fahrerhaus) aus, jedenfalls machten die Ventiltoren komische Geräusche, so dass wir die Hitze bei leicht geöffneten Fenstern ertragen mussten. In der Ferne kündigten sich die Sandstürme an und wir mussten eilig alle Lüftungsschlitze zukleben und natürlich die Fenster schließen um die Sandeinlagerungen im Auto zu minimieren.
Nach den Stürmen konnten wir das Innere unserer Autos von feinstem Sandstaub befreien, selbst in den Betten (gemacht!) befanden sich die störenden Partikelchen. Trotzdem war es ein fantastisches Erlebnis, abends mit einem Bierchen und angenehmen Temperaturen mitten im “Nichts-außer-Sand” zu sitzen und frühmorgens den Sonnenaufgang ganz alleine inmitten der Dünen zu erleben. Dh. ganz alleine waren wir nicht: es gab viele Spuren von nachtaktiven Insekten und Geckos, die die Tagestemperaturen von 45° und mehr scheuen.
Wir nutzten diese einmalige Atmosphäre und gaben der ganzen Truppe “einen aus”. Bisher war es so, dass aus jedem Fahrzeug jemand Geburtstag hatte und die Gruppenmitglieder mit Bier, Wein und Knabbereien verwöhnte, da wollten wir uns nicht lumpen lassen und zelebrierten “das Nichtgeburtstaghaben”. Es wurde ein sehr schöner, feuchtfröhlicher Abend bis in die frühen Morgenstunden.
Die Wüste liegt im Tarim Becken, dass schon zum Autonomen Gebiet Uiguriens zählt. Für uns bedeutete das, dass wir einen 2. lokalen Guide (Karim) bekamen. Weder er noch unsere Teamleitung wussten warum er uns zugeteilt wurde, aber wie üblich in China haben wir es fraglos hingenommen. Warum, wieso, weshalb muss man sich abgewöhnen zu fragen, es gibt keine Antworten oder nur solche, die völlig unsinnig sind. Z.B.: warum wird es uns nicht gestattet, die uigurische Hauptstadt Ürümqi zu besuchen? Antwort: weil es zu Verkehrsstaus führen würde! Die Uiguren sind ein turkstämmiges Volk mit eigener Sprache (in Wort und Schrift) und gehören dem islamischen Glauben an. In der Vergangenheit hat es immer wieder blutige Auseinandersetzungen gegeben zwischen Uiguren und Han-Chinesen; zuletzt beschuldigte China uigurische Separatisten, hinter Attacken mit Messern und Bomben zu stehen, die 2009 in Ürümqi mindestens 31 Tote und 94 Verletzte forderten. In den Wochen zuvor waren in einer „Anti-Terror-Kampagne“ (von den Amerikanern übernommener Begriff) etwa 200 Menschen in Xinjiang festgenommen und 39 verurteilt worden, davon etliche zum Tode.
In Uigurien wurden die Sicherheitsmaßnahmen noch verstärkt: außer Google, Twitter und Youtube (Beispiele, wir wissen nicht, was noch alles verboten ist) war es hier nicht mehr möglich über “What´sApp” zu kommunizieren. Harte Zeiten für uns: wir lieben es Bildchen von unserer süßen kleinen Enkeltochter zu bekommen…Die Tankstellen waren hoch ummauert und mit Natodraht und Panzersperren gesichert. Bevor man das Gelände befahren konnte, musste an einem Wachhäuschen angehalten und die Pässe gezeigt werden. Erst danach durfte man zur Zapfsäule vorfahren.
Da unser Wagen alles andere als in Ordnung war wollten wir eine Abkürzung in die nächste Stadt (Yining) fahren, trennten uns von der Gruppe, bekamen Karim mit an Bord (als Aufpasser) und fuhren und fuhren und fuhren. Bevor wir eine Stadt erreichen konnten, wo uns ein Hotel auf seinem Parkplatz Stellfläche hätte bieten können, fielen uns beinahe die Augen zu und ohne Absprache mit dem lokalen Guide hielten wir auf einem großen Parkplatz eines riesigen Vergnügungsparkes mitten im Nichts. Hier wollten wir die Nacht verbringen, was Karim beinahe zur Verzweiflung brachte. Hier sei keine Registrierung möglich, uns würde die Polizei holen und ins Gefängnis stecken usw. usw. usw. Wir vermuten, dass er die meiste Angst um sich selbst hatte, denn als er merkte, dass wir uns nicht mehr vom Fleck rührten (zur Sicherheit hatten wir beide schnell ein Bier getrunken, denn nach Alkoholgenuss ist das Führen von Fahrzeugen verboten, haha), verzog er sich ganz schnell und ward bis zum nächsten Morgen nicht mehr gesehen! Wir hatten keine Ahnung wo er abgeblieben war, keine Telefonnummer und keinen Nachnamen. Wilkes allein in Uigurien. Aber alles ging gut, kein Polizist störte unsere Nachtruhe.
In Yining gab es, entgegen unserer Hoffnung, keine Fiat-Werkstatt, aber es wurde festgestellt, dass einer der Belüftungsmotoren einen Lagerschaden aufweist, also sofortiges Verbot jedweder Kühlung beim Fahren. Glück im Unglück: die Familie unseres deutschen Reiseleiters kam nach Almaty (Kasachstan) und brachte im Gepäck die eilends von unserer Fiatwerkstatt in Deutschland bestellten Ersatzteile mit. 80 Kilometer bis zur Grenze nach Kasachstan. Beinahe tränenreicher Abschied von unserem liebgewonnen Guide Yong Zhi. 6 Wochen hat er uns begleitet, war Tag (und manchmal auch Nacht) für uns da, hat vieles organisieren können, er ist uns ein guter Kumpel geworden. Vielen Dank noch einmal an dieser Stelle! Der Grenzübertritt verlief problemlos, war aber – wie immer – langwierig. 2 Tage bis Almaty. Hier stehen wir noch: in einer Werkstatt. Nicht Fiat. Aber egal jetzt. In ganz Kasachstan gibt es keine Fiat-Werkstatt. Hier werden alle möglichen Filter gewechselt, Rußpartikel entfernt und noch einmal nach den frisch eingebauten Ventilatoren samt Motor geschaut, weil sie nicht richtig funktionieren. Wir stehen gut hier, haben ein kleines Geschäftchen um die Ecke, wo es frische Tomaten gibt und Brot kann man hier auch kaufen. Verstehen tun wir kein Wort, dafür gibt es das Telefon! Kostja und die kleine Gruppe (Friedemann und Maria haben die Truppe an der Grenze verlassen und fahren auf eigene Faust weiter) samt Guide aus Weißrussland haben Almaty inzwischen verlassen und sind auf dem Weg nach Kirgistan zu einem wunderschönen See… Wenn bei uns die Verständigungsschwierigkeiten zu groß werden, muss einer der beiden Männer (Kostja spricht auch perfekt russisch) übersetzen. Irgendwie geht alles!
Sind sehr gespannt, wie es weitergeht! Ob unsere Reifen halten (hatten inzwischen wieder 2 Pannen, 1x eine dicke, stumpfe Schraube und 1x einen Nagel), ob die Mechaniker hier vor Ort das Auto repariert bekommen usw. Wenn ihr uns die Daumen drückt, wird es bestimmt gelingen!!!
Und hier wie gewohnt….