Narva (Grenzübergang zu Iwangorod) und St. Petersburg

 

Es sind noch nicht ganz 14 Tage vergangen, dass ich den letzten Blogbeitrag geschrieben habe.  Da wir aber nicht 2,5 Jahre unterwegs sein werden, sondern nur ein paar Wochen und mein Gedächtnis auch nicht besser wird, erlaube ich mir schon heute unsere Erlebnisse aufzuschreiben.

Stellt euch einmal vor, ihr seid der festen Meinung, dass an einem bestimmten Datum etwas geschehen soll. Z.B. ein Grenzübergang. Tagelang richtet sich alles nach diesem fixen Tag aus: frische Lebensmittel werden nicht mehr nachgekauft (weil sie nicht mit über die Grenze genommen werden dürfen),  der Wagen gewaschen und geputzt (weil man nicht mit einem dreckigen Fahrzeug in ein anderes Land fährt…) und alle Papiere gesichtet und geordnet (damit man am Kontrollpunkt alles parat hat). Und dann schaut man überflüssigerweise noch einmal (zum 100. Mal) auf das Visum und stellt fest, dass man das Einreisedatum mit dem Ausreisedatum verwechselt hat: 17. und 19. Die Reihenfolge ist falsch! Es muss heißen: 19. und 17. So geschehen in Lettland am 16. Juli. Wir standen schon in Narwa, schön dicht am Kontrollpunkt, damit wir am nächsten Morgen schön früh da sein würden… und konnten uns nach einem neuen Stellplatz für die nächsten 2 Übernachtungen umsehen, denn ganz sicher hätten die russischen Grenzbeamten diesen Irrtum sofort bemerkt!

So hatten wir also Zeit und besuchten das einzige tätige russisch orthodoxe Nonnenkloster außerhalb Russlands: Kuremäe. Uns erwartete ein weiträumiges Gelände auf einem Hügel mit diversen Kirchen, Wohn- und Verwaltungsgebäuden, Andenkenlädchen und sehr geschäftigem Treiben. Es war Sonntag und wir sahen viele Russen ( im Norden Estlands besteht die Bevölkerung zu 85% aus Russen) mit hübsch herausgeputzten Kindern (weiße Schleifen oder Rosetten im ordentlich geflochtenen Haar), die aus einer Kirche herauskamen und sich anschließend im Gras oder auf Bänken niederließen um gemeinsam in großer Runde Mitgebrachtes Mittagessen zu verzehren. Ganz in der Nähe des Klosters befindet sich eine Quelle, die heiliges, gesundmachendes Wasser sprudelt. Diese Quelle wurde stark besucht und auch wir konnten es nicht lassen und haben uns eine große Flasche mit dem kostbaren aber kostenlosen Wasser abgefüllt (sicher ist sicher). Findige Geschäftsleute saßen am Straßenrand und verkauften leere Flaschen (gebrauchte aller Art). Ein unwiderstehlicher Duft zog uns zu einem Teil des Klosters, wo ein Fenster weit offen stand: hier gab es frisch gebackenes Brot! Oh, wie lecker! Kaum zurück im Auto genossen wir diese herrliche Backware nur mit Butter und ein wenig Salz – wunderbar!

Wir fuhren weiter bis zum Nordufer des Peipussees (Peipsi järv), konnten uns aber nicht so recht für einen Nachtplatz entscheiden. Die gesamte Küste ist naturbelassen, d.h. Bäume bis an die Sanddünen (kaum zu glauben, aber es gibt sie an diesem Binnensee), aber überall zwischen drinnen Datschen oder Grillplätze. Kein ruhiges Plätzchen für uns. Der Grenzfluss Narva ist das einzige Gewässer, das den Peipussee verlässt und in die Ostsee fließt. Wir haben uns sowohl den Beginn als auch die Mündung angesehen –  Zeit hatten wir genug…

Er kam dann aber doch noch; der Tag, an dem wir Estland verlassen und in Russland einreisen konnten. Ein merkwürdiges Prinzip haben sich die Esten ausgedacht, um Ausreisewillige zu registrieren: auf einem eigens dafür geschaffenen Großraumparkplatz mitten in der Stadt muss man sich anmelden und wird dann, nach erfolgreicher Überprüfung per Leuchtdisplay aufgerufen (indem sie die Autonummern aufleuchten lassen) zu einem Schalter zu kommen, wo man die notwendigen Papiere erhält. Wir mussten 4 Stunden warten (andere auch) bis endlich unser Nummernschild aufblinkte. Wieder einmal waren wir froh, dass wir alles dabei hatten: Toilette, Getränke und was zu Essen. Herrlich, so ein Heim auf Rädern!

Der Übergang nach Russland verlief dann vergleichsweise schnell und unkompliziert, nach ca. 2,5 Stunden (in denen wir aber etwas zu tun hatten: Formulare ausfüllen, wieder zerreißen, neu ausfüllen, ein Stückchen weiterfahren, Passkontrolle, Fahrzeugkontrolle mit Öffnen aller sichtbaren Türen etc. etc. ) konnten wir den Grenzübergang verlassen und fuhren Richtung St. Petersburg. Per Zufall sahen wir ein Schild mit einem großen P, einer Schranke und einem Wachhäuschen vor einem etwas herabgekommenen Firmenparkplatz am Außenrand der Stadt, machten dem verdutzten Pförtner per Zeichensprache unser Anliegen klar (es war inzwischen spät abends geworden) und durften uns für 200 Rubel (68 Rubel = 1 €) einer erholsamen bewachten Nachtruhe hingeben. Noch 2 Nächte wählten wir diesen Schlafplatz für uns, 2 weitere Nächte standen wir am Straßenrand einer etwas abgelegenen und wenig befahrenen Seitenstraße mitten im Zentrum. Das ist in Russland kein Problem und wir wurden auch in Ruhe gelassen, dennoch bevorzugen wir bewachte Plätze: hier trauen wir uns nachts die Seitenfenster geöffnet zu lassen, am Straßenrand lässt uns die Befürchtung, es könnte uns im Schlaf jemand an die Nase packen nicht recht zur Ruhe kommen.

Die Stadt erschlug uns fast: eine gewaltige Sehenswürdigkeit neben der anderen, imposant und geschichtsträchtig. Wir entschlossen uns das Fahrzeug stehen zu lassen und die Innenstadt per pedes zu erkunden. Wir liefen um die Eremitage, über den Schlossplatz den Newskij Prospekt ein Stück hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter, schossen hunderte Fotos und waren abends völlig erschlagen. So oder so ähnlich verbrachten wir die Tage in St. Petersburg. Es gibt so unendlich viel zu sehen in dieser kaiserlichen Metropole, dass wir uns entschlossen kein einziges Gebäude von innen zu besichtigen, sondern unser Augenmerk auf die Architektur, die schönen Parks und die Menschen zu lenken. Museen, Schlösser, Festungen oder Kirchen gibt es in so großer Zahl, dass 5 Tage bei Weitem nicht ausreichen, wollte man sie sich in aller Ausführlichkeit anschauen (Ausnahme: Peter+Paul Kathedrale und Festung). So begnügten wir uns mit einem ersten Eindruck dieser goldglänzenden früheren Hauptstadt Russlands, erholten uns in Straßencafés und bemitleideten unsere Füße… Anhand der Fotos ist zu erkennen, welche der vielen Gebäude wir gesehen und bestaunt haben…

Nun haben wir St. Petersburg (zwischenzeitlich Leningrad) verlassen und sind in Richtung Norden und Ladogasee gefahren. Unser Navi wollte uns partout die weitaus längere Strecke am Ostufer des größten Süßwassersees Europas entlang führen, Dank unseres russischen Straßenatlasses und den Hinweisen, die uns unser Reisebegleiter Valery , den wir seit unserer Heimreise vor einem Jahr kennen und in lockerem Kontakt zu ihm stehen, gab, wussten wir aber von der kürzeren Strecke entlang des Westufers. Und nun erholen wir uns von Großstadt und Straßenpflaster im Süden Kareliens, haben einen schönen Platz an einem Hotel in Sortavala (den uns auch Valery nannte, vielen Dank an dieser Stelle!) mit Blick auf den See und verbringen die nächsten Tage mit Wäschewaschen, Gemüseputzen und nachlesen, was uns die nächsten 1000km bringen werden. Übrigens: seit mehreren Tagen tragen wir fertig geschriebene und adressierte Ansichtskarten mit uns herum: es gibt keine Briefmarken! Jedenfalls sind keine zu bekommen und Postämter, noch auf unseren Atlanten  gekennzeichnet als solche, wurden aufgegeben. Sicherlich, irgendwo wird es noch Postämter geben, nur kennt sie niemand und bisher konnte uns kein Mensch erklären, wo wir die benötigten Marken herbekommen können. Nachteil dieses Internet- und Emailzeitalters. Aber wir bleiben dran!

So, und nun noch ein paar Fotos (dieses Mal sind es etwas mehr geworden…) und tschüss, bis zum nächsten Mal!

Abstecher ans Mittelmeer: Schlossgarten im Oru-Park, ToilaNachbildung des Kaffeepavillons im Oru-Park, Toila. Das Original wurde im 2. Weltkrieg von den Deutschen zerbombt...Mini-Hafen von ToilaBoote im kleinen Hafen von ToilaHafeneinfahrt von ToilaHermannfeste in Narva und Burg Iwangorod auf der russischen SeiteFestung Iwangorod, 1492 von Iwan III erbaut, die Narva ist heute der Grenzfluss zwischen Estland und Russlanddie Narva, Grenzfluss zw. Estland und RusslandSandstrand westlich von Narva mit der Möglichkeit ein Feuer zu machenJunggesellinnenabschied auf estnischdie heilige Quelle am russ. orth. Kloster Kuremäeeinziges tätiges russ. orth. Nonnenkloster in Estland, Kuremäedas Fenster zur Backstube steht weit offen: hier kaufen wir frisches, noch warmes Klosterbrot. Lecker!Reiner sägt mit unserem kleinen Fuchsschwanz den Weg freiblühende WiesenSandstrand am Nordufer des Peipsi JärvGrasdünen am Nordufer des Peipsi Järvgelbes Haus in Vasknarva, wo die Narva aus dem Peipsi Järv "entspringt"orangene Post in Estland, ein Postkasten für 5 Familienzwischen den Häusern der Grenzfluß NarvaGrenzfluß NarvaPeterhof, 30km westl. von St. Petersburg gelegene Schlossanlage, 275m lang, von Peter dem Großen 1704 erbaut1 von insgesamt 150 Fontänen. Der Peterhof ist berühmt für seine vielen Fontänen, die allesamt aus einer nahegelegenen Quelle gespeist werden und nur durch den Wasserdruck sprudelnHand aufs Herz: für Geld....Goldmarie im FunkienbeetZipfelmützenmannVogelvoliere für Sommervögel...Verkehr auf der NewaPortraitzeichnungen für die TourisSchlossplatz mit Hauptquartier des Generalstabs6-spänniger Siegeswagen über dem Triumpfbogen (Sieg über Napoleon) am Hauptquartier d. GeneralstabsAnimateurin vor einem WachsfigurenkabinettAdmiralität mit ihrer goldenen Nadel über den ionischen Säulen samt dem goldenen Segelschiff als Wetterfahne ist eines der Wahrzeichen der Stadtder amerikan. Nähmaschinenfabrikant Singer ließ Anfang d. 20. Jahrhunderts dieses Haus bauen, heute Haus des BuchesGroßer Kaufhof (Bolschoj Gostinij Dwor), Handelshof aus der ZarenzeitSouvenirsAltstadt, Rundgang um die Kirche "Auf-dem-Blute"Christi-Auferstehungskirche "Auf dem Blute" (zur Erinnerung an ein Zarenattentat 1881)Mutter-Gottes-von Kazan-KathedraleVenedig des NordensAltstadt mit Tor zum SchlossplatzEremitage mit Schlossplatz und Alexander-SäuleGrandes Dames mit TurnschuhenEremitage an der Newaunser Übernachtungsplatz in St. Petersburg. Es gibt einen Wächter und ein Dixisklo....und kostet /Nacht 200 R (= knapp 3 €)Allee zum 300m langen Katherinenpalast im barocken Stil in Puschkin, früher Zarskoje Selo,Ähnlichkeiten sind rein zufällig...der barocke, 300m lange Katherinenpalast aus dem Jahr 1752 in Puschkinhöfische Figuren in BronzeKatherinenpalast, 300m lang im barocken Stil 1752 erbaut, im 2. Weltkrieg völlig zerstört, legendäres BernsteinzimmerKatherinenpalast mit WarteschlangeFlötist im Parkganze Stadtviertel entstehen neudas erste Wohnmobil in Russland ist ein rollendes KirchenmobilAlexander-Newskij-KlosterPanzerkreuzer Aurora (als Symbol der Oktoberrevolution) ist ein Kriegsschiff der ehemaligen Kaiserlich Russischen Marine und liegt seit 1956 als Museumsschiff in Sankt Petersburg.Gallionsfigur als DreimasterKinder Wackelspielzeug, umweltfreundlich, da ohne Batterien...Peter + Paul Kathedrale, Grablege der Zarenfamilie Romanow, im Vordergrund die Katherinenkapelle, in der 1998 die Familienmitglieder des Zaren Nikolaus II beigesetzt wurdenPeter der Große, modernes Denkmal von 1991Särge der kaiserlichen Familie in Marmor, grau-grünem Jaspis und dunkelrotem Quarzim Inneren der Peter+Paul KathedraleZellengang im Festungsgefängnisua wurde hier auch Maxim Gorkij gefangen gehalten (Zellen heute hell und freundlich restauriert)Blick von der P+P Festung auf Dreifaltigkeitsbrücke und AltstadtMetschet Moschee, nach einem Vorbild in Samarkandhier rattern noch die alten Wagen der StadtbahnWasser, Wasser, Wasser in KarelienPanzer zur Besichtigung und zum Beklettern an einem RastplatzNordspitze des Ladogasees, Sortavala, Hotel Piipun Piha, kleiner Yachthafenes kommt uns schwedisch vor

Travemünde, Liepaja (Lettland) und Fahrt durch Estlands Osten

Wieder auf gewohntem Platz sitzend versuche ich meine Gedanken, Eindrücke und Erlebnisse “auf Papier” zu bringen.

Es ist anders.

Obwohl wir im selben Fahrzeug wohnen, die gleichen Handgriffe tätigen, (beim täglichen Abwasch z.B. oder Bettenbauen, all abendlich nach dem Auffinden eines geeigneten Stellplatzes die Stühle herausstellen um zu markieren: hier wohnen wir usw. usw. usw.) fühlt es sich ganz anders an, als vor einem Jahr. Damals war das Wohnmobil unser Zuhause, uns war es ziemlich wurscht, wo auf dieser Welt wir uns gerade befinden: wir haben jede Minute und jeden Landstrich genossen, waren mit Haut und Seele on the road.

Jetzt, nachdem wir unser neues Heim schon recht hübsch hergerichtet haben und wir wieder sesshaft geworden sind, machen wir Urlaub. Einen – zugegebenermaßen  – langen Urlaub, aber eben keine Reise um die halbe Welt mit ziemlichem open end.

Das bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht wohlfühlen! Uns geht es prima. Wir freuen uns über jeden Tag, den wir gesund und munter erleben und sind von der Schönheit dieser Erde genauso fasziniert wie während der großen Reise.

Aber nun zu unseren Erlebnissen:

die Visa waren da! Grundvoraussetzung für die Weiterfahrt ab Hamburg! Den Terminal in Travemünde erreichten wir auch überpünktlich und konnten eine ganze Weile zuschauen, wie unsere Fähre, URD von der Stena-Line, mit unglaublich vielen Autotransportern beladen wurde (jeder Transporter war mit 8-9 Autos beladen, wir zählten mindestens 15 Stück davon) . Alles Gebrauchtfahrzeuge, die nach Lettland verschifft wurden um dort in Riga sofort an den Mann (oder Frau) gebracht zu werden (wie uns ein Einheimischer erzählte). Dann noch etliche Lastwagen mit Anhänger und einige Wohnmobile oder  PKWs. Insgeheim hab ich wirklich gehofft, dass wir allesamt nicht zu schwer sind, denn die See war rau, stürmisch mit – für die Ostsee ungewöhnlich – hohen Wellen. Sicherheitshalber hatte ich mich mit “Antiseekrankheittabletten” versorgt, benötigte sie aber nicht.

Bei der Buchung der Fähre war es uns per Internet nicht möglich auch eine Kabine dazu zu reservieren,  so waren wir also mit 2 Liegesessel zufrieden. Die erste Anlaufstelle an Bord war  der sogenannte Ruheraum. Aufgebaut wie in einem Flugzeug, dicht an dicht,  hätten wir eingeengt auf uralt Möbeln, die nichts mit einem Liegesessel  gemein hatten, 30 Stunden zubringen sollen. Das gefiel uns beiden nicht und Reiner verließ die Rezeption nicht eher, als bis wir die Schlüssel für eine wunderbare Kabine, sogar außen gelegen mit Fenster, ergattert hatten. Zufrieden nahmen wir unsere Mahlzeiten, 3 Stück per Tag, alle im Preis inbegriffen, ein und überlebten heil und unversehrt diese wirklich schaukelige und rumpelige Überfahrt.

Nach schon erwähnten 30 Std. auf dem Meer erreichten wir Lettland/Liepaja nachts um 1.oo Uhr. An diesem Abend hatten wir nur ein wenig geruht, nicht geschlafen, so dass wir den erst besten Parkplatz direkt am Fährhafen für die anstehende Nachtruhe nutzten. Erst am nächsten Morgen fiel mir auf, dass mein Handy nicht mehr da war. Natürlich haben wir alles abgesucht, ohne Erfolg. Der Hammer! Den Tränen nahe, ging ich in das Hafengebäude, Hafenbüro oder was immer es war und bat darum, noch einmal auf die URD gehen zu dürfen um dort weiter zu suchen. Aber keine Chance. Das Schiff lag zwar noch am gleichen Platz wie am Vorabend aber für mich nicht mehr zugänglich. Dafür bekam ich eine Telefonnummer. Nun bin ich zwar gut im Reden, aber wenn es um lettisches Bordpersonal geht passe ich lieber und gab deshalb die Telefonverantwortung an meinen lieben Mann ab. Irgendwie hat er dem anderen Ende der Leitung klarmachen können, worum es ging und bekam die Antwort, er solle warten. Entweder bekäme er eine Nachricht per SMS oder nicht…… Nach gefühlten Stunden der Warterei dann die erlösende Nachricht: phone on board! Schnell bin ich mit dieser Nachricht wieder in das Bürogebäude gelaufen und bat jemanden um Hilfe. Dieser freundliche Mensch ging tatsächlich für mich auf das Schiff und übergab mir mit einem Grinsen im Gesicht mein Telefon. Überaus dankbar wollte ich ihm eine Tafel Schokolade und einen 10 €-Schein  in die Hand drücken, lachend winkte er ab und sagte irgendwas auf lettisch, was für mich so klang wie: passen Sie nächstes Mal besser auf…

Juchu! Alles wieder im Lot. Der halbe Tag war hin und so schauten wir uns für den Rest des Tages die Stadt Liepaja an. Ua. die Hlg. Dreifaltigkeitskirche mit einer der gewaltigsten Orgeln der Welt! An der Spendenbox angekommen, zückte ich meinen 10 €-Schein, der von dem netten Hafenbürogebäudemenschen so dankend abgelehnt worden war und drückte ihn in den Schlitz hinein. Dabei hatte ich ein wirklich gutes Gefühl!

Quer durch Lettland in Richtung estnische Grenze ging die Fahrt weiter, wobei wir immer mal wieder Stopps einlegten um uns kleinere und größere Orte anzusehen, die auf Prospekten auf dem Schiff empfohlen worden waren.

Das Wetter war und blieb mies. Wenig trockene Phasen und als wir an den Abzweig nach Riga kamen goss es in Strömen. Eigentlich hatten wir vor uns die lettische Hauptstadt noch einmal anzusehen, 5 Jahre zuvor bekamen wir einen ersten und guten Eindruck von dieser interessanten baltischen Hansestadt. Aber das schlechte Wetter vermieste uns die Laune und so fuhren wir schnurstracks nach Estland weiter. Erster Halt: Räpina, früher Rappin (deutsch). Das ist der Ort, wo mein Vater (natürlich auch der Vater meiner Geschwister; also unser…) aufgewachsen ist und wo mein (unser) Großvater als Pastor tätig war. Schon damals vor 5 Jahren besuchten Reiner und ich “seine”  Kirche, intensiv, dieses Mal genügten ein paar Stunden zum Fotografieren des Gotteshauses, des Geburtshauses (Pastorat) und des Kusstempels im gegenüberliegenden Park auf der anderen Seite des Sees. Mit diesem Tempel hat es eine Bewandtnis, die ich heute gern erzähle: in unserem Wohnzimmer in meinem Heimatort Grömitz hing ein Gemälde mit eben diesem Tempel, gemalt von der Schwester meines (unseres) Vaters. Mit diesem “alten Schinken” bin ich (sind wir) groß geworden und per Zufall habe ich dieses Motiv bei der Durchfahrt von Räpina aus dem Augenwinkel heraus entdeckt. Meine (unsere) Tante muss also damals am Ufer des kleinen Sees gesessen und mit echtem Talent den Kusstempel für die Nachwelt festgehalten haben. (Leider existiert dieses Bild heute nicht mehr, es hätte inzwischen einen hochgeschätzten Wert für mich).

Das Wetter besserte sich, der Himmel wurde blauer und wir hatten noch ein paar Tage Zeit um an der Küste Estlands auf einem Campingplatz Station zu machen. Die Einreise nach Russland wird erst am 17.7. sein und so stehen wir noch heute hier, genießen das freie Internet, die Annehmlichkeiten einer warmen Dusche und das Sammeln von in Sandstein gefangenen Fossilien. Hier oben, ganz im Nord-Osten des Landes ist der “Strand” voll mit Sandstein-Bruchstücken und bei genauerem Hinsehen kann man das eine oder andere interessante Stück finden. Auch für meine tägliche sportliche Betätigung ist gesorgt: der Campingplatz liegt hoch oben auf einer unglaublich hohen Steilküste und ich muss jedes Mal 376 (!!) Stufen hinunter und wieder herauf steigen, um an die wertvollen Stücke zu gelangen. Reiner zieht es vor, home work zu betreiben….

So, meine Lieben zu Hause, es hat mir wieder Freude gemacht zu berichten und ich bin gespannt, wie, wo und wann ich in Russland wieder die Möglichkeit haben werde, weiter von der Reise und unseren Erlebnissen zu berichten.

Und nun – wie immer – ein paar Fotos:

(ps. stelle gerade fest, dass der blaue Himmel auf den meisten Fotos nicht mit dem Text oben übereinstimmt. Natürlich gab es auch schöne Momente und nur in denen habe ich fotografiert! Im Regen sieht alles grau aus)

Travemünde mit Hotel MaritimUnsere Stenaline-Fähre URD, auf dem Weg nach Liepaja/LettlandHlg. Dreifaltigkeitskirche, Liepaja. Barocke Kirche wurde für die dt. Gemeinde 1742 erbaut und beherbergt mit mehr als 7000 Pfeifen eine der größten Orgeln der Welt!Kleine Gasse in Liepaja/LettlandStrand nördl. von Liepaja/LettlandBlick von unserem Wagen auf die Hafeneinfahrt von Pavilosta/LettlandBlick von unserem Wagen auf die Hafeneinfahrt von Pavilosta/LettlandBernsteinfunde, vergrößertZwischenstopp in der Hansestadt Kuldiga/LettlandMarktplatz von Kuldigaalte Tracht der LettenKanal-Café in Kuldigabunte Blumen vor grauem Mauerwerk, Kuldiga"Ventas Rumba", Europas breitester Wasserfall (nur 2m hoch). Im Frühjahr und Herbst fliegen hier die Lachse flußaufwärts...Zwischenstopp in der Hansestadt Kuldigaalte Ziegelgewölbebrücke über die Venta, Kuldigaaltes Haus in KuldigaGroßvater Schulzes Kirche in Räpina/EstlandKusstempel gegenüber vom Pfarrhaus, Räpina/EstlandLeuchtturm von Mehikoorma, Peipsi järv (Peipussee)Lilien vor der Scheune, Peipsi järv (Peipussee), Mehikoorma, ÜbernachtungsplatzGummistiefelbaum (unterwegs gesehen)flaches Land, gute Böden, viele StörcheRakvere im Norden EstlandsRakvere, Castle of TarvanpeaGutshof Palmse, ehem. Besitz der Familie von Pahlen, jetzt MuseumKaffeepause im Café auf dem Gutsgelände Palmse2 Kaffee à 2,90 €, Miniküchlein für 5,90€. Stolze PreiseFindlinge in der Ostseeder Waldboden ist übersät mit Flechten und Moosenschmucke Holzhäuser im Fischerdörfchen Altjadie letzte Eiszeit ist hier erst vor 10000 Jahren zu Ende gewesen. Es finden sich riesige Findlinge überall.Spaziergang um Altja auf gut ausgebauten Wegen und Stegen (hier eine Hängebrücke)nicht der Wasserfall ist das Interessante sondern die verschiedenfarbigen AblagerungenSteilküste 50km vor Narwa: 376 Stufen runter und wieder rauf"Strand" bei Toila, kurz vor Narwa/Estland,man muss nur genau hinschauen, dann kann man einiges finden...in Sandstein verewigt: Ammoniten und ???

Nun wird es ernst…..

… denn morgen geht die Reise los.

Der Wagen ist geputzt und gepackt, von unseren Lieben haben wir uns verabschiedet, den Rasen gemäht und die Beete im Garten noch schnell einmal übergeharkt. Im Haus herrscht naturgemäß ein wenig das Chaos, aber dafür gibt es ja Haustüren, die man von außen zumachen kann…

Unsere Einreisepapiere (russisches Visum) liegen seit heute 14.30 h beim Reisebüro in Hamburg vor! Per Post hätte die Zustellung nicht mehr rechtzeitig geklappt. Wir werden also morgen über die Hamburger Innenstadt nach Travemünde fahren und die Visa herausholen.

Unser Mäxchen darf bei unseren Kindern bleiben; er fährt nicht gerne in dem hohen Wagen, wo er nicht aus dem Fenster schauen kann und die lange Zeit auf der Fähre ist auch nicht ideal für ihn. Außerdem sind wir ohne Haustier viel unabhängiger und beweglicher. Wir werden ihn vermissen, wissen ihn aber sehr gut aufgehoben!

So, liebe Leser,

nun sagen wir tschüüühüüüss und bis bald!